20 Tage 40 UNESCO-Welterbestätten

Diesen Blog dürfen alle lesen. Ich schreibe ihn, damit mein Sohn Philemon auch etwas von meiner Reise durch Deutschland mitbekommt. Hier stehen keine Geheimnisse, sondern es ist für alle, die mehr Wert auf kurze Geschichten legen.

Meine zwei Begleiter

 

Heute muss ich Euch etwas gestehen – aber nur den Kindern: Ich fahre überhaupt nicht allein durch Deutschland!

Nein, ich habe zwei Begleiter mit im Auto, und das sind Wacki und Laala!

Ja, ehrlich, die beiden sitzen immer schön brav hinten im Auto, hier seht Ihr sie auf der Rückbank:

 

 

Nun, und wenn ich mir etwas anschaue, dann frage ich die beiden immer, ob sie mitkommen wollen. Meist sagen sie, dass sie selber etwas unternehmen wollen, an Kultur sind sie meist nicht so wahnsinnig interessiert. So war es auch heute, als ich nach Bremen gefahren bin. Da haben sie gesagt, dass sie viel lieber zu den Deichen gehen und ein bisschen mit den Schafen spielen wollen.

„Gut“, habe ich gesagt. „Aber geht bloß nicht raus ins Watt. Das ist viel zu gefährlich!“

„Ja, ja!“; haben sie gesagt, „ist schon recht!“

Als ich dann nach vier Stunden wieder heimkam, waren  die beiden noch unterwegs. Da hbae ich mich dann auch auf den Weg gemacht und habe eine schöne Deichwanderung unternommen.

Und was soll ich Euch sagen?! Ich laufe da so am Deich entlang und sehe in der Ferne eine ganz große Schafsherde stehen. Also nicht so verteilt über die ganze Länge vom Deich, sondern alle ganz eng beisammen stehen. Da habe ich eins und eins zusammengezählt, ich kenne ja meine Pappenheimer, und bin dann dort hingegangen. Oder besser: Ich habe mich angeschlichen. Denn ich habe schon gemerkt, dass die Schafe gleich ein bisschen unruhig wurden, als ich näher kam. Aber irgend etwas muss so spannend gewesen sein, dass sie nicht wegliefen.

Und da habe ich gesehen, was so spannend ist: Wacki und Laala standen  in  der Mitte von den Schafen und erzählten ganz wild:

Wacki: „ … und dann sind wir nach Bremen gefahren …“

Laala: „Ja, und dort haben wir dann zuerst einen Esel getroffen. Der war recht traurig.“

Wacki: „Na, und dann haben wir einen Hund getroffen, dem war furchtbar langweilig.“

Laala: „Den haben wir dann auch mitgenommen. Und dann war da ein Kätzchen. Das war ganz traurig, weil es so allein war.“

Wacki: „Und dann haben wir noch so einen Gockelhahn getroffen. Der war ein bisschen ein Angeber, aber er war dann doch ganz froh, als er uns getroffen hat, denn er wusste nicht so genau, wie man sich in einer großen Stadt verhält.“

Laala: „Und wir kennen uns ziemlich gut aus.“

„Warum?“, fragte da ein Schaf.

„Na hört mal, wir sind doch aus München!“

„Aus München?“, fragten die Schafe. „So weit her?“

Wacki: „Ja, aus München. Wir sind die ganze Strecke mit dem Auto hergefahren!“

„Und was war dann mit den Tieren?“

Laala: „Den haben wir dann ein Kunststück beigebracht, das wir – also der Wacki und ich – immer wieder mal ausprobieren, wenn uns langweilig ist. Ich stelle mich auf die Schultern vom Wacki!“

„Hui, das ist aber gefährlich!“, mähten ein paar Schafe.

Laala: „Für uns schon, denn wir haben ja nur zwei Schultern. Aber für euch Vierbeiner ist das überhaupt nicht schwer, denn ihr habt ja einen schönen breiten Rücken. Das haben wir dann den vier Tieren gezeigt. Und das haben die dann gleich nachgemacht. Könnt ihr auch mal ausprobieren!“

 

vier Schafe, die gleich den Quatsch nach machen wollten

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo ich eingreifen musste, denn ich wollte nicht, dass Wacki und Laala den Schafen irgendwelche Flausen in den Kopf setzen.

„Wacki, Laala!“, sagte ich. „Jetzt macht mal halblang und seid nicht solche Spruchbeutel. Ihr könnt doch den Schafen nicht solchen Quatsch beibringen!“

„Wo kommst du denn her?“, fragte mich Laala.

„Aus Bremen!“

„Und hast  du die vier Tiere gesehen?“

„Ja, habe ich!“

„Siehst Du! Wir haben doch recht!“

„Jaja, ist schon gut. Jetzt aber ab, nach Hause und ab ins Bett. Es ist schon spät genug.“

Die Schafe mähten dann ganz freundlich, das hörte sich so an wie „moin, moin“, aber ich kann mich auch täuschen.

Als wir dann zum Auto zurückliefen, da drehte ich mich noch einmal um. Und soll ich euch etwas sagen? Ich sah dort hinten ein paar Schafe, die versuchten eine Pyramide zu bauen. Also ein  Schaf stand schon auf einem anderen. Und ein drittes wollte gerade rauf springen. Wenn ihr also irgendwann mal ans Wattenmeer kommt und Schafe seht, die aufeinander stehen, dann wisst ihr, wer auf diese Idee gekommen ist: Wacki und Laala.

Die Gänsemama mit ihren Kindern

Eine Gänsefamilie in Schloss Augustusburg

 

Heute traf ich eine Gänsefamilie im Garten von Schloss Augustusburg. Das ist gar keine Burg, sondern ein richtiges Schloss. Innen ist alles voller Gold und gemaltem Marmor, überall an den Decken sind Verzierungen, es gibt unheimlich viele Figuren und Blumen und Ranken.

Ich traf also diese Gänsefamilie und ich habe die dann gefragt, wie es sich denn so in so einem Schlossgarten lebt.

„Richtig schön ist es hier“, sagte da der Gänsepapa.

„Ja, wir haben eigentlich alles, was wir so brauchen: viele Schnecken, frisches Gras, und immer wieder auch mal ein bisschen Abwechslung: nette Besucher!“, meinte die Gänsemama.

„Lebt ihr schon immer hier?“, fragte ich.

„Jaja, schon unsere Eltern und Großeltern und Urgroßeltern lebten hier. Wir gehören sozusagen zum Schloss dazu!“, sagte der Papa.

„Es war aber nicht immer hier so schön!“, fiel da die Mama ins Wort. „Unsere Großeltern haben uns erzählt, dass deren Großeltern wiederum erzählt haben, dass es damals, als hier noch die Fürsten gewohnt haben, gar nicht so friedlich war. Der Erbauer von diesem Schloss, der Clemens August, der war ein  begeisterter Jäger. Und weißt du, was der am liebsten gejagt hat?“

„Vermutlich Gänse“, antwortete ich.

„Das nicht. Sondern Reiher!“

„Reiher?“

„Ja. Reiher. Und weißt du, wie man Reiher am besten fängt?“

„Nein, keine Ahnung!“

„Mit …“

„Na, nun sag schon!“

„Mit einem Falken!“

„Mit einem Falken?“

„Ja. Oder mit mehreren Falken! Der Clemens August, das war ein begeisterter Falkensammler und Falkenjäger. Also, er hat selber keine Falken gejagt, sondern er hat mit den Falken gejagt. Die waren speziell dressiert. Die gingen ganz gezielt auf Reiher los. Aber ab und zu eben auch auf Gänse!“

„Und das haben Euch Eure Großeltern erzählt?“, fragte ich ungläubig.

„Ja, wirklich! Aber zum Glück ist das jetzt vorbei. Heute wird hier nicht mehr gejagt. Heute lebt man als Gans hier sehr schön.“

„Und als Gänserich!“, ergänzte der Gänsepapa.

Tja, und dann watschelten die beiden mit ihrer Kinderschar wieder weiter durch den Schlossgarten von Brühl.

Ich wusste gar nicht, dass man mit Falken jagen kann.

Und dass Gänse sprechen können, das wusste ich auch nicht.

Aber wenn man ganz genau hinhört, dann können die sehr wohl sprechen. Und Geschichten erzählen.

Der stolze Gänsepapa

 

 

Ein Pferdchen namens Lilly

 

Einst, vor vielen vielen Jahren, gab es in einem dichten Dschungel einen kleinen See. Der Wald war so dicht wie heute der Dschungel in Afrika oder am Amazonas. Aber die Bäume sahen ein bisschen anders aus, auch die Blumen waren anders. Und natürlich auch die Tiere. Es stapften in diesem Dschungel keine Dinosaurier herum, das war schon etwas länger her. Die Dinosaurier gab es nicht mehr. Und die Tiere, die wir heute kennen, die gab es noch nicht. Dafür aber andere. So zum Beispiel Krokodile. Die sahen tatsächlich fast so aus wie die Krokodile heute.

Es gab Käfer und Bienen, Fische und Frösche. Und dann gab es noch eine besondere Tierart, die tatsächlich ganz neu war. Das waren kleine Pferde.

Naja, also man muss ganz ehrlich sein: So richtige Pferde waren das nicht. Also so große Pferde, wie wir sie heute kennen. Mit langer Mähne, Schweif und Hufen.

Diese kleinen Tiere waren nicht viel größer als ein Pudel. Sie hatte  auch nicht einen Huf, sondern so eine Art doppelt gespaltenen Huf. Aber auch nicht wie ein Schwein oder ein Rind. Es war einfach eine andere Tierart.

Und genau unter diesen gab es ein kleines Tier, das nennen wir jetzt einfach Lilly. Diese Lilly war mit ihrem Dasein nicht sonderlich zufrieden. Sie fand sich zu klein, zu hässlich, irgendwie fand Lilly, dass sie nichts so richtig ist. Wir würden heute sagen: Weder Fisch noch Fleisch. Lilly hätte vielleicht gesagt: Weder Pferd noch Hund. Oder weder Reh noch Rind. Aber natürlich sagte sie das nicht. Sie dachte es sich nur.

Es gab da an dem See noch ein altes Krokodil. Alle am See kannten das Krokodil. Manche fürchteten das Krokodil, aber nicht Lilly. Sie ging oft zu dem  großen alten Krokodil und ließ sich Geschichten  erzählen. Von früher, da wusste das Krokodil besonders spannende Geschichten, von eigenartigen riesigen Tieren, die einst gelebt haben sollen.

Lilly sagte: „Ich wäre auch so gern groß und stark! Aber schau mich an: Wie sehe ich denn aus. Keiner weiß doch so richtig, wer oder was ich bin!“

„Ach was“, sagte das Krokodil. „Sorge dich nicht. Du bist etwas ganz besonderes! Glaube mir! Auch wenn du es jetzt nicht weißt, aber irgendwann wird das schon jemand erkennen!“

So lebte Lilly mit diesen Aussichten weiter, auch wenn es ihr nicht wirklich half.

Tatsächlich war es dann so, dass Lilly älter wurde, alt wurde und schließlich starb. Direkt an diesem See im Dschungel.

Sie lag da, und langsam wurde ihr Körper von Blättern, Gräsern und Blüten bedeckt. Weil es in den nächsten Wochen und Monaten viel regnete, stieg der See und Lillys Körper war unter Wasser. Algen bedeckten nun den Körper.

So ging das über viele Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte. Lillys Körper wurde immer dünner, die Schichten auf ihr immer schwerer.

Es vergingen Jahrhunderte, Jahrtausende, Jahrmillionen.

Der See verschwand, der Dschungel, das Wetter wurde kühler.

Dann, eines Tages klopfte ein Mann mit einem dünnen Hammer auf dem Gestein herum. Er spaltete das Gestein und sah etwas Wunderschönes: Ein kleines Tier, das ihn an ein Pferd erinnerte.

Man hatte in der Grube Messel das Urpferdchen entdeckt. Und so wurde die Prophezeiung des Krokodils wahr: Irgendwann wird schon jemand erkennen, dass Du etwas ganz besonders bist!

 

Im Kloster Maulbronn

 

Ich habe heute einen Mönch und seinen Schüler beim Unterricht belauscht. Ja, wirklich, wenn ich Euch sage! Ich habe mir ja nichts groß dabei gedacht, als ich da durch das Kloster Maulbronn lief und dann an diese Tür kam, vor der ein Schild stand: Bitte nicht eintreten! Sie verlassen Ihre Zeit!

Na, so was lasse ich mir doch nicht zwei Mal sagen. Natürlich habe ich die Tür aufgemacht, eine schwere Holztür mit Eisenbeschlägen. Stellt Euch vor, ich mache also da diese Tür auf, die sah so wie die unten aus:

Hinter dieser Tür war dann ein langer Gang. Der sah so aus:

Ich bin dann weiter geschlichen, nun etwas leiser, und plötzlich hörte ich etwas. Stimmen. Aus einem Raum. Ich schlich mich dort hin, schaute hinein, und sah tatsächlich dort einen Mönch stehen. Mit seinem Schüler. Die beiden schienen ein bisschen zu streiten. Denn der Mönch sagte die ganze Zeit: „Du musst dich konzentrieren! Du darfst nicht ständig Löcher in die Luft gucken. Ich hab dich schon wieder dabei erwischt, wie du an die Decke gestiert hast. Und jetzt siehst du, was dabei heraus kommt.“

Der Schüler wirkte gar nicht so schüchtern. Er sagte nur: „Aber Pater, schauen Sie doch selber mal hinauf. Sehen Sie es denn nicht?“

Ich schaute auch um die Ecke, und dann sah ich diese wunderschöne Decke. Ich dachte mir: Mensch Meier, das ist aber nun wirklich ein besonders schönes Klassenzimmer. Kein Wunder, dass man sich da nicht konzentrieren kann.

Der Schüler sagte dann: „Schauen Sie, Pater, diese Decke, die sieht aus wie eine Raupe. Wie diese Raupen im Frühling, die auf den Blättern der Weinreben sitzen und langsam über die Blätter kriechen. Genau so sieht diese Decke aus. Und später dann schlüpfen aus diesen Raupen wunderschöne Schmetterlinge.“

„Ja, und deshalb malst du auf dieses teure Pergamentblatt Schmetterlinge?“

„Nein, nein Pater! Ich frage mich nur, was aus dieser Decke schlüpfen wird. Ich bin mir sicher, dass hier irgendwan auch ein wunderschöner Schmetterling heraus schlüpfen wird und dann davon fliegen wird! Glauben Sie mir, Pater. Ich bin mir ganz sicher!“

 

In diesem Moment musste ich niesen und sah, wie die beiden mich sahen. Da rannte ich ganz schnell zurück zu der verbotenen Tür und schwupps, war ich wieder draußen. In meiner Zeit.

 

Als ich später durch das Kloster lief, kam ich schließlich auch noch in den Raum mit der schönen Decke. Da musste ich an den Jungen denken und fragte mich: Was wird das wohl für ein wunderschöner Schmetterling, der seit tausend Jahren darauf wartet, dass er ausschlüpft.

 

 

 

Der kleine Engel

 

In der Wieskirche

 

Ich habe heute einen Engel getroffen. Einen ganz kleinen. Und nackt war er auch noch. Es war in einer Kirche, die wirklich wahnsinnig schön ist. Sie steht mitten auf einer Wiese und heißt deshalb auch Wies-Kirche.

Ich bin also in diese Kirche reingegangen und habe nur gestaunt. Ich war sprachlos. Ich wusste gar nicht, wo ich hinschauen soll. So voll, so prächtig, so unfassbar gold und reich war diese Kirche. Ich stand da so, wahrscheinlich mit offenem Mund, als ein kleiner Engel daher geflogen kam. Ich weiß nicht genau, wo er herkam, aber auf jeden Fall war er plötzlich vor mir. Ich glaube, er kam von der Decke der Kirche. Da waren ein paar Engel. Aber nur dieser eine kam zu mir geflogen.

 

Wie er aussieht, seht ihr oben!

 

Ich habe den Engel dann gefragt, ob es ihn nicht friert, so nackt in dieser Kirche. Eine Hose oder eine warme Jacke wären doch sicherlich prima.

Da flatterte dieser kleine Engel mit seinen kleinen Flügelchen ganz munter einmal hinauf bis unter die Decke und kam dann wieder herunter, schwebte so ein  bisschen vor mir herum, fast schon etwas näckisch wie so ein Schmetterling, und dann sagte er: „Schau dich doch um! Glaubst du nicht, dass es hier einem warm ums Herz wird?“

Ich schaute mich um und sah das Gold und die Farben, den Schmuck an den Wänden, die Bilder und Verzierungen und war etwas verwirrt. Da hatte der kleine Engel schon recht, dass das alles hier wahnsinnig schön und reich und ausgemalt ist, aber ob das für den Winter reicht, bezweifelte ich doch sehr stark.

Ich sagte zu dem kleinen Engel: „Naja, es ist schon sehr prächtig hier, aber im Winter, wenn es draußen schneit – immerhin, also, ich meine, Du bist ja immerhin, ähem, naja also, du hast ja jetzt wirklich nichts an. Also sozusagen nackt. Du bist nackt.“

„Ach weißt Du, der Schmuck an den Wänden, das Gold, all das meine ich doch gar nicht. Schau dich ganz genau um! Schau hinter die Kulisse!“

„Hinter die Kulisse? Wo ist das?“

„Draußen! Drinnen! Innen! Außen! Überall!“, sagte der kleine Engel.

Und als ich aus der Wieskirche wieder hinaus ging und die Wiesen sah, die Berge und Blumen, da wurde es mir ganz warm ums Herz. Wie dem Pumuckl bei der einen Geschichte, wo es ihm auch so ganz klein bisschen warm ums Herz wird, obwohl es gar nicht Sommer ist. Es gibt da scheinbar etwas, das manchmal wärmt. Ohne dass man heizen muss. Oder eine Jacke oder Hose braucht.

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© Christian Krug